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Jürgen Giesecke gestorben

Am 31. Januar 2024 ist Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E. h. Jürgen Giesecke im Alter von 91 Jahren in Gerlingen gestorben. Wir verlieren einen liebenswürdigen und hoch geschätzten Wissenschaftler, Kollegen und Freund.

Von 1971 bis 2000 hatte Prof. Jürgen Giesecke den Lehrstuhl für Wasserbau und Wasserwirtschaft am damaligen Institut für Wasserbau der Universität Stuttgart inne. Der gebürtige Konstanzer Jürgen Giesecke (Jahrgang 1932) studierte an der früheren TH Stuttgart Bauingenieurwesen. 1960 promovierte er mit einer bodenmechanischen Arbeit und habilitierte sich 1965 mit einer Arbeit auf dem Gebiet der Wasserkraftanlagen. Von der Universität Stuttgart wechselte er 1968 nach München zu Dorsch Consult und baute dort eine geotechnische Abteilung auf. Im Oktober 1971 kehrte Jürgen Giesecke nach Stuttgart zurück und wurde im turnusmäßigen Wechsel mit seinem Kollegen, Prof. Helmut Kobus, geschäftsführender Direktor des Instituts für Wasserbau mit rund 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Er betreute mehr als 40 Promotionen und fünf Habilitationen und lehrte bis 2003 an der Universität Stuttgart.

Jürgen Giesecke engagierte sich mit vollem Herzen in der akademischen Selbstverwaltung der Universität, war Dekan und viele Jahre Senatsmitglied. Er übernahm von Oktober 1990 bis September 1992 als Rektor die Leitung der Universität Stuttgart. Gemeinsam mit seinem Vorgänger im Amt, Prof. Franz Effenberger, hat Prof. Jürgen Giesecke sich für die Errichtung des Internationalen Begegnungszentrums (IBZ) engagiert. Er war Gründungsvorsitzender des IBZ-Vereins und leitete ihn bis 2017.

Seine wissenschaftliche Berufstätigkeit verstand er immer mit einem ehrenamtlichen Engagement in verschiedenen nationalen und internationalen Gremien und Fachverbänden zu verbinden. Im Laufe seiner Berufsjahre wirkte er in nicht weniger als 35 Fachgremien an zentraler Stelle mit und war Mitglied in 17 wissenschaftlichen und technischen Organisationen wie zum Beispiel dem Deutschen Talsperrenkomitee und der DWA. Besonders zu erwähnen sind seine Funktionen als Vizepräsident und Präsident des DVWK und nach dessen Vereinigung mit der ATV sein Mitwirken im Vorstand der DWA als Vorsitzender des Hauptausschusses „Wasserbau und Wasserkraft”. In seinen Aktivitäten für die DWA und den DVWK ist es Jürgen Giesecke über Jahre hinweg in herausragender Weise gelungen, die Erkenntnisse aus seiner universitären Forschung in die fachliche Praxis der Regelsetzung und Bildungsarbeit zu übertragen. Als Präsident des DVWK sowie als Vorstandsmitglied der DWA hat er sich um die Zusammenführung der ATV und des DVWK zur DWA sowie das Zusammenwachsen beider Verbände nach der Fusion im Jahr 2000 sehr verdient gemacht.

Für sein vielseitiges Engagement und als herausragender Wasserbauprofessor wurde er 1992 mit dem Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. 1998 verlieh ihm die Universität der Bundeswehr München für seine Mitarbeit am Aufbau des Fachbereichs Bauingenieur- und Vermessungswesen die Ehrendoktorwürde. Im gleichen Jahr erhielt er für seine Mitwirkung an der Neubildung von Fakultäten und Instituten des Wasserwesens an der TU Dresden die Hubert-Engels-Ehrenmedaille. Die DWA zeichnete Jürgen Giesecke im Jahr 2008 mit der Theodor-Rehbock-Medaille aus.

Jürgen Giesecke war es immer ein besonderes Anliegen, die Grundlagenforschung und die anwendungsorientierte Forschung zu verbinden. Er setzte sein Fachwissen bei zahlreichen hydrologischen Untersuchungen, bei der Konzeption von Talsperrenprojekten und insbesondere bei Wasserkraftprojekten ein. Es ist ihm in großartiger Weise gelungen, ein beeindruckend breites Spektrum an wissenschaftlichen Tätigkeiten und universitärer Forschung in die Berufspraxis zu übertragen. Dies zeigt sich auch in seinem bereits 1997 in der ersten Auflage erschienenen und zusammen mit Prof. Emil Mosonyi verfassten Buch „Wasserkraftanlagen – Planung, Bau und Betrieb“. Im Buchhandel wird inzwischen die 6. Auflage als „Klassiker“ und „Standardwerk für die Praxis“ gehandelt.

Mit Jürgen Giesecke verlieren wir einen außerordentlich imposanten und bedeutenden Menschen. Seinem starken Willen, seiner Schaffenskraft und der schier unendlichen Energie ist es zu verdanken, dass er, egal was er anpackte, einen prägenden Eindruck hinterließ – ob in seinen wasserbaulichen Projekten, in der Wissenschaft oder in seinem ehrenamtlichen Engagement.

Jürgen Giesecke war eine faszinierende Persönlichkeit. Egal ob als Fachkollege, Hochschullehrer, Vorgesetzter, Verbandsmitglied, Doktorvater oder Freund – er hat viele Spuren hinterlassen und viele Weichen gestellt, von denen wir immer noch profitieren. Wir werden ihn stets in dankbarer und bester Erinnerung behalten.

Silke Wieprecht

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