Vor 50 Jahren stanken und schäumten die Gewässer in der Schweiz. Baden war vielerorts aus gesundheitlichen Gründen verboten. Der seit mehreren Jahrzehnten betriebene Gewässerschutz zeigt aber Wirkung, dies betont der Ende August vom Schweizer Bundesamt für Umwelt (BAFU) publizierte Bericht „Gewässer in der Schweiz - Zustand und Maßnahmen”. Bund, Kantone und Gemeinden haben seit den 1970er-Jahren viel in die Verbesserung der Abwasserreinigung und die Siedlungsentwässerung investiert. Deshalb gelangt nur noch ein kleiner Teil der Verunreinigungen in die Seen und Flüsse. Die Phosphorkonzentrationen in den Seen haben seit den 1980er-Jahren wieder abgenommen; es kann mittlerweile praktisch überall bedenkenlos gebadet werden. Seit 2016 verfügen erste Kläranlagen in der Schweiz über eine vierte Reinigungsstufe die Mikroverunreinigungen wie Medikamente oder Pestizide aus dem Abwasser entfernt. Seit zehn Jahren werden Flüsse, Bäche und Seen naturnaher gestaltet, indem Verbauungen und Begradigungen beseitigt werden. Um die negativen Auswirkungen der Wasserkraftnutzung zu verringern, werden zudem künstliche Abflussschwankungen gemildert und Barrieren bei Wasserkraftwerken mit Fischwanderhilfen ausgestattet. Diese Maßnahmen zeigen Erfolg. Es braucht aber laut BAFU weitere Anstrengungen, um das ganze Gewässersystem wieder naturnaher zu gestalten. Das Ziel ist, bis 2090 4000 km verbauter und begradigter Flüsse naturnaher zu gestalten; davon sind heute erst rund 4 Prozent revitalisiert.
Die Wasserqualität hat sich in der Schweiz teilweise verbessert. Aber immer noch beeinträchtigen Pestizide aus der Landwirtschaft und Arzneimittel aus Siedlungsabwasser viele Bäche und Flüsse des Mittellandes und der Talebenen. Das Grundwasser ist verbreitet mit Nitrat und Abbauprodukten von Pestiziden belastet. Deshalb kann es mancherorts nur noch eingeschränkt als Trinkwasser genutzt werden. Einzelne Seen und Flüsse enthalten immer zudem noch zu viel Phosphor und Stickstoff. Diese Gewässer befinden sich in Gebieten mit intensiver Viehmast (zum Beispiel Baldeggersee) oder in dicht besiedelten Regionen (zum Beispiel Greifensee). In tiefen Schichten dieser Seen ist der Sauerstoffgehalt zu tief und Fische und Pflanzen können dort nicht leben. Einige der Seen werden deshalb künstlich belüftet.
Der Klimawandel verstärkt den Druck auf die Gewässer: Die Wassertemperaturen steigen an. Dadurch werden kälteliebende Pflanzen und Tiere, etwa die Bachforelle, seltener. Weniger anspruchsvolle Tiere und Pflanzen, zum Beispiel invasive Muscheln, breiten sich hingegen aus. In Zukunft ist mit dem Klimawandel mit mehr Hitzewellen und Trockenphasen im Sommer zu rechnen. Gleichzeitig werden Starkniederschläge häufiger und intensiver. Die Temperaturen in Fließgewässern erreichten bereits in den vergangenen Jahren neue Höchstwerte. Grundwasserstände und Quellabflüsse gingen zurück.
Dadurch geraten die Gewässer noch stärker unter Druck. Bereits heute bieten viele Bäche, Flüsse und Seen im Mittelland nur noch beschränkt geeigneten Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Über zwei Drittel aller Fließgewässer erfüllen ihre Funktion als Lebensraum für Tiere und Pflanzen heute nur ungenügend. Die starke Beeinträchtigung der Gewässer spiegelt sich auch in den Roten Listen wider: Über 50 Prozent aller Arten, die in und an Gewässern leben, sind gefährdet oder bereits ausgestorben.
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