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EuGH: Haftung für Umweltschäden auch bei Erledigung gesetzlich übertragener Aufgaben

Juristische Personen des öffentlichen Rechts können für Umweltschäden haftbar sein, die durch Tätigkeiten verursacht werden, die aufgrund gesetzlicher Aufgabenübertragung im öffentlichen Interesse ausgeübt werden, wie etwa der Betrieb eines Schöpfwerks zur Entwässerung landwirtschaftlicher Flächen. Das stellte der Europäische Gerichtshof (EuGH) durch ein Urteil vom 9. Juli 2020 fest (Rechtssache C-297/19). In den Jahren 2006 bis 2009 wurde ein Teil der Halbinsel Eiderstedt, die im westlichen Teil von Schleswig-Holsteinliegt, unter anderem aufgrund des Vorkommens der Trauerseeschwalbe, eines geschützten Wasservogels, als „Schutzgebiet” ausgewiesen. Nach dem Managementplan wird das Schutzgebiet für diese Art noch immer überwiegend als Grünlandgebiet großflächig traditionell bewirtschaftet. Die Halbinsel Eiderstedt bedarf zur Besiedlung und landwirtschaftlichen Nutzung der Entwässerung. Zu diesem Zweck betreibt der Deich- und Hauptsielverband Eiderstedt, ein Wasser- und Bodenverband in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, ein Schöpfwerk, das das gesamte Verbandsgebiet entwässert. Die eine Reduzierung des Wasserstands bewirkenden Pumpvorgänge dieses Schöpfwerks gehören zur Aufgabe der Unterhaltung oberirdischer Gewässer, die diesem Verband als öffentlich-rechtliche Verpflichtung übertragen ist. Da eine Umweltvereinigung, der Naturschutzbund Deutschland - Landesverband Schleswig-Holstein, der Ansicht war, dass der Deich- und Hauptsielverband Eiderstedt durch den Betrieb dieses Schöpfwerks Umweltschäden zulasten der Trauerseeschwalbe zu vertreten habe, stellte sie beim Kreis Nordfriesland einen Antrag auf Anordnung von Maßnahmen zur Begrenzung und Sanierung dieser Schäden, der jedoch abgelehnt wurde. Zur Stützung ihres Antrags berief sich die Vereinigung auf die zur Umsetzung der Richtlinie 2004/35 über Umwelthaftung erlassenen deutschen Rechtsvorschriften. Das Bundesverwaltungsgericht, das mit dem abgelehnten Antrag der Umweltvereinigung befasst ist, hat beschlossen, dem EuGH die Frage vorzulegen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Tätigkeit wie der Betrieb eines Schöpfwerks zur Entwässerung landwirtschaftlicher Flächen als zur „normalen Bewirtschaftung eines Gebiets” im Sinne der Richtlinie 2004/35 gehörend angesehen werden kann. Das vorlegende Gericht hat den Gerichtshof außerdem darum ersucht, klarzustellen, ob eine solche Tätigkeit als „berufliche Tätigkeit” im Sinne der Richtlinie 2004/35 angesehen werden kann, wenn sie aufgrund gesetzlicher Aufgabenübertragung im öffentlichen Interesse ausgeübt wird. In seinem Urteil hat der Gerichtshof festgestellt, dass der Begriff „normale Bewirtschaftung eines Gebiets” dahin zu verstehen ist, dass er jede Maßnahme erfasst, die eine gute Verwaltung bzw. Organisation der Gebiete, in denen geschützte Arten oder natürliche Lebensräume vorhanden sind, unter anderem im Einklang mit der allgemein anerkannten landwirtschaftlichen Praxis ermöglicht. Was die Frage anbelangt, ob eine von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts aufgrund gesetzlicher Aufgabenübertragung im öffentlichen Interesse ausgeübte Tätigkeit wie der Betrieb eines Schöpfwerks zur Entwässerung landwirtschaftlicher Flächen eine „berufliche Tätigkeit” im Sinne der Richtlinie 2004/35 darstellen kann, hat der Gerichtshof bestätigt, dass dieser Ausdruck sämtliche in einem beruflichen Rahmen - im Gegensatz zu einem rein persönlichen oder häuslichen Rahmen - ausgeübten Tätigkeiten erfasst, unabhängig davon, ob diese Tätigkeiten einen Bezug zum Markt oder Wettbewerbscharakter haben.

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20200709_004

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