Starke Seespiegelschwankungen im langfristigen Zeitablauf
Der Wasserstand in Seen des nordostdeutschen Tieflandes ist in den vergangenen Jahrzehnten vielerorts gesunken, oft verursacht durch Eingriffe des Menschen. Eine Studie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ und Kollegen aus Deutschland und Polen zeigt jetzt, dass es über Jahrtausende betrachtet weitaus drastischere Schwankungen der Seespiegel gegeben hat, vor allem in der Zeit, bevor der Mensch in den Wasserhaushalt eingegriffen hat. Untersuchungen am Großen Fürstenseer See bei Neustrelitz (Müritz Nationalpark) belegen ein Auf und Ab von rund vier Metern nach oben und nach unten in den letzten 10.000 Jahren. Forscherinnen und Forscher des virtuellen deutsch-polnischen Instituts ICLEA haben dazu das Sediment des Sees mit Proben entlang eines Transsekts und mithilfe eines Echolotes untersucht und die Ergebnisse mit aktuellen Beobachtungen verglichen. Ihre Rekonstruktion des Seespiegels ergab einen Höchststand vor rund 5.000 Jahren mit einem Pegel, der vier Meter über dem heutigen lag. Vor 6.400 bis 9.700 Jahren dagegen lag der Wasserspiegel drei bis vier Meter tiefer als heute. Zum Vergleich: Seit den 1980er Jahren sank der Seespiegel dort um 1,30 Meter. Als Ursache für die langfristigen Veränderugnen vermuten die Wissenschaftler eine Kombination aus Änderungen des Klimas und der Waldstruktur. So verbrauchten die frühholozänen Kiefernwälder (die ersten Wälder nach der Eiszeit) deutlich mehr Wasser und beeinflussten die Grundwasserneubildung negativ. Die nachfolgenden Laubwälder trugen dagegen unter anderem durch erhöhten Stammabfluss stärker zur Grundwasserneubildung bei. Das beobachten Hydrologen des GFZ auch aktuell. Durch ein feuchteres Mittel- und Spätholozän blieben die Seespiegel in den letzten 4.000 Jahren recht hoch und wurden erst durch den Einfluss des Menschen seit dem Mittelalter stärker beeinflusst. Die Analyse von instrumentellen Aufzeichnungen der Region aus den letzten 40 bis 60 Jahren deutet vorrangig auf klimatische Ursachen: Niederschlagsdefizite bedingten die lokalen Grundwasserabsenkungen. Es gibt aber auch signifikante Zusammenhänge mit der Waldstruktur, wie eine Studie von Kollegen des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (Müncheberg) bereits 2012 zeigte. Für die Zukunft heißt das, dass größere Wasserspiegelschwankungen möglich sind, als bisher beobachtet wurden. Diese scheinen jedoch nicht nur vom Klimawandel, sondern auch von der Waldzusammensetzung im Nationalpark abhängig zu sein. Detaillierte Informationen enthält die Studie ”Multiple drivers of Holocene lake level changes at a lowland lake in northeastern Germany. BOREAS” von Dietze, E., Słowiński,M., Zawiska, I., Veh, G., Brauer, A. (doi: 10.1111/bor.12190).
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20160628_002