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Jagst schwer beeinträchtigt, aber nicht ökologisch tot

Der schwäbische Fluss Jagst wurde durch den Düngemittelunfall im Sommer dieses Jahres schwer beeinträchtigt. Insbesondere Fische, Großmuscheln und Krebse waren von dem Unfall betroffen, wirbellose Kleinlebewesen kamen hingegen weitestgehend unbeschadet davon. Zu dieser vorläufigen Einschätzung kommt die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW), Karlsruhe, in ihrem im Oktober vorgelegten vorläufigen Bericht über die Auswirkungen des Unfalls. Bei einem Mühlenbrand im Landkreis Schwäbisch Hall war am 23. August ammoniumnitrathaltiges Düngemittel mit Löschwasser in die Jagst geflossen. Aus dem Ammonium entsteht das insbesondere für Fische hochgiftige Ammoniak. Der gemeinsam mit der Fischereiforschungsstelle in Langenargen und dem Regierungspräsidium Stuttgart erarbeitete Bericht zeigt, dass der Fischbestand auf einer Strecke von zehn Kilometern nahezu ausgelöscht wurde. Insgesamt wurden in den ersten Tagen nach dem Großbrand annähernd 20 Tonnen Fische tot aus der Jagst geborgen. Bis 45 Kilometer unterhalb der abgebrannten Mühle wurden zudem auch bei zunächst überlebenden Fischen geschädigte Kiemen vorgefunden. Die Experten gehen davon aus, dass insbesondere im Winter von einer erhöhten Sterblichkeit bei Fischen ausgegangen werden muss. Daher sind weitere Untersuchungen im Herbst sowie im Frühjahr 2016 vorgesehen. Erst dann wird feststehen, wie schwer das verunreinigte Löschwasser die Jagst tatsächlich geschädigt hat. Bereits heute ist aber klar, dass der Fischbestand durch die ökologische Katastrophe in der Jagst stark geschädigt wurde. Nach den nun vorliegenden Erkenntnissen sind auch die Vorkommen des seltenen Steinkrebses sowie Vorkommen von Großmuscheln erheblich geschädigt. Um eine abschließende Aussage zur Beeinträchtigung dieser Arten treffen zu können, werden die Steinkrebs- und Muschelbestände in den kommenden Monaten weiter untersucht. Entgegen anfänglichen Befürchtungen kamen dagegen die wirbellosen Kleinlebewesen des Gewässergrunds, zum Beispiel Larven von Eintagsfliegen oder Steinfliegen, anscheinend unbeschadet davon. Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass diese Tiere im sogenannten Lückensystem des Gewässerbodens leben. Dazu kommt, dass bei der Niedrigwassersituation im August zuströmendes Grundwasser das Überleben der wirbellosen Tiere günstig beeinflusste. Obwohl sich Fische aufgrund ihrer Größe nicht so leicht verstecken können, wie dies bei Kleinstlebewesen der Fall ist, haben Beobachtungen von Experten an der Jagst gezeigt, dass auch die Fische dem giftigen Wasser ausgewichen sind und ufernahe Bereiche aufgesucht haben. Dabei hat es den Fischen sehr geholfen, dass die vielen Helfer Buchten abgeriegelt haben, in die das Wasser nicht einströmen konnte. So fanden die Fische vorübergehend Refugien vor, in denen sie überleben konnten. Um die Artenvielfalt in der Jagst wieder herzustellen und zu stabilisieren sowie den Fluss ökologisch zu verbessern, erarbeitet das Regierungspräsidium Stuttgart derzeit das Aktionsprogramm Jagst. Dieses soll auf den vorhandenen Zielen und Plänen nach der EU-Wasserrahmenrichtlinie sowie auf den Zielen des Naturschutzes aufbauen.

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