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Oder-Katastrophe: natürliche Widerstandsfähigkeit stärken

Die natürliche Widerstandsfähigkeit der Oder muss deutlich erhöht werden, um Katastrophen wie in den letzten Wochen zu verhindern. Dies betont das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) Mitte September in einem Policy-Brief. Um die Widerstandsfähigkeit zu stärken, geben die IGB-Forschenden sechs Handlungsempfehlungen. Vor allem sollen flussbauliche Maßnahmen zur Vertiefung oder zum Ausbau der Oder beendet werden. Gleichzeitig müssen die Emissionen reduziert und dafür die Grenzwerte für stoffliche Belastungen deutlich gesenkt werden. Gleiches gilt für die Kühlwassernutzung. Weiterhin fordert das IGB eine Renaturierung des Hauptlaufs sowie eine Wiedervernetzung mit Nebengewässern. Ein international harmonisiertes Gewässermanagement an der Oder muss ausgebaut werden, ein digitales Monitoringsystem mit frei zugänglichen Daten ausgeweitet werden. Basis der Forderungen ist die Detailanalyse der Oder-Katastrophe. Eine entscheidende Rolle hat dabei die Massenentwicklung der giftigen Brackwasser-Alge Prymnesium parvum gespielt. Zu hohe Salzkonzentrationen infolge industrieller Einleitungen hatten einen künstlichen Lebensraum für diese Alge geschaffen. „In der Oder hat sich diese Alge in einem solchen Ausmaß ausgebreitet, wie es meines Wissens noch nie in unseren Gewässern beobachtet wurde”, erklärt Algen-Experte Jan Köhler. Hohe Nährstoffkonzentrationen im Wasser, die ebenfalls auf menschliche Einleitungen zurückgehen, sehr hohe Wassertemperaturen, abschnittsweiser Aufstau und geringe Wasserführung der Oder infolge der anhaltenden Dürrephase boten ihr ideale Wachstumsbedingungen. Das von der Alge gebildete Gift hatte im August zum Tod zahlreicher Fische, Muscheln und Wasserschnecken geführt. Nun wird die Biomasse der gestorbenen Tiere von Bakterien zersetzt. Dies kann zu extremem Sauerstoffmangel und zu weiteren, nachgelagerten Fischsterben führen, wie sie derzeit in verschiedenen Abschnitten der Oder und ihrer Nebengewässer beobachtet werden. Zur Umweltkatastrophe kam es laut IBG infolge mehrerer Belastungsfaktoren, die allesamt durch menschliches Handeln verursacht wurden. Sie konnten an der Oder auch eine solch fatale Wirkung entfalten, weil zuvor Ausbaumaßnahmen die natürliche Widerstandsfähigkeit (Resilienz) des Flusses gegenüber hydrologischen und klimatischen Veränderungen reduziert hatten. „Wir verstehen die Oder-Katastrophe als multikausales, von Menschen verursachtes Ereignis. Erhöhte Salzgehalte durch industrielle Belastungen im Oberlauf traten auch in der Vergangenheit öfter in der Oder auf, ohne dass es zu solch massiven Algenblüten gekommen war. Die Rahmenbedingungen scheinen sich jetzt aber geändert zu haben. Wenn die Salzkonzentrationen nicht sinken und wir durch den Klimawandel weiterhin zu heiße und trockene Sommer erleben, kann es zukünftig wieder zu solchen Massenentwicklungen giftiger Algen kommen”, erläutert IGB-Forscher Tobias Goldhammer.

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