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Siegfried Dyck gestorben

Prof. Dr.-Ing. Siegfried Dyck verstarb am 23. März 2017 im Alter von 90 Jahren. Als Begründer der Dresdner Schule der Hydrologie hat er die Entwicklung dieser Wissenschaft in Deutschland und darüber hinaus in den letzten 60 Jahren maßgeblich beeinflusst. Seine mehr als 20 Jahre umfassende Lehrtätigkeit an der TU Dresden hat eine Generation von Hydrologinnen und Hydrologen geprägt. Mit seinen Arbeiten und den von ihm herausgegebenen Büchern der „Angewandten Hydrologie” hat er wissenschaftliche Verfahren und Methoden vermittelt, die heute noch von großer Aktualität sind. Siegfried Dyck wurde am 3. August 1926 in Landsberg an der Warthe, das heute in Polen liegt, geboren. Aufgrund des 2. Weltkriegs fand seine schulische Ausbildung bereits 1944 und damit noch vor dem Abitur ihr Ende. Sein weiterer Lebensweg führte ihn zunächst nach Bitterfeld. Deutschland lag in Trümmern, und es war offensichtlich, was die Not erforderte: Siegfried Dyck schloss im Frühjahr 1947 eine Lehre als Maurer und Betonbauer ab und erwarb zugleich an der Oberschule Bitterfeld das Reifezeugnis. Nach der Berufsausbildung nahm Siegfried Dyck ein Studium auf. Er studierte von 1947 bis 1952 an der Technischen Hochschule Dresden Bauingenieurwesen mit der Spezialisierung Wasserbau. Erst ein Jahr zuvor war der Lehrbetrieb an der TH Dresden mit 453 Studenten, die durch 42 Hochschullehrer betreut wurden, wieder aufgenommen worden. Siegfried Dyck war also im zweiten Immatrikulationsjahrgang nach dem Neubeginn eingeschrieben. Trotz widriger Studienbedingungen konnte Siegfried Dyck 1952 sein Diplom als Bauingenieur erwerben. Der Wiederaufbau in der 1949 gegründeten DDR war auch mit einer Neuordnung der wasserwirtschaftlichen Strukturen verbunden. So begann der 25 Jahre junge Dipl.-Ing. Dyck seine praktische Tätigkeit am 1. Juli 1952 in der Forschungsstelle für wasserwirtschaftliche Rahmenplanung in Ostberlin. In der sowjetischen Besatzungszone war im Dezember 1951 ein „Hauptamt für Hydrologie” entstanden, das zunächst dem Meteorologischen und Hydrologischen Dienst der DDR unterstellt war. Aus diesem „Hauptamt” wurde ein Amt für Wasserwirtschaft, das 1952 um eine wissenschaftliche Einrichtung, das Institut für Wasserwirtschaft (IfW), erweitert wurde. Im September 1952 wurde dieses Institut zur neuen Wirkungsstätte von Siegfried Dyck, der dort Wasserhaushaltsforschung betrieb und Flussgebietsbilanzen erarbeitete. 1954 wurde ihm das Fachgebiet Speicherwirtschaft und Talsperrenbau übertragen. Viele geplante Talsperrenprojekte waren durch den Krieg nicht realisiert worden, neue Vorhaben kamen hinzu. So wurde von 1949 bis 1952 in Sosa die erste Talsperre der DDR und gleichzeitig die letzte Bruchsteinmauer Deutschlands gebaut. 1952 wurde der Grundstein zur Rappbode-Talsperre gelegt. Diese Talsperre wurde 1959 fertig gestellt. Um einem steigenden Wasserbedarf gerecht zu werden, folgten weitere große Talsperren wie zum Beispiel die 1958 bis 1964 gebaute Talsperre Pöhl oder die Talsperre Rauschenbach, die zwischen 1960 und 1968 entstand. In der Betriebsplanung dieser neuen Anlagen und der Verbundbewirtschaftung in bestehenden Talsperrensystemen fand Siegfried Dyck ein reiches Betätigungsfeld zur Anwendung und Entwicklung seiner hydrologisch-wasserwirtschaftlichen Kenntnisse. Die dabei gesammelten Erfahrungen und gefundenen Lösungen mündeten in eine Promotion, die 1956 an der TH Dresden erfolgreich abgeschlossen wurde. Das Thema der Dissertationsschrift lautete „Die Erfassung der Ausgleichswirkung von Talsperren mit Hilfe von Speicherausnutzungslinien”. Dr. Dyck wurde 1958 zum Abteilungsleiter für Hydrologie und Wassermengenwirtschaft im Institut für Wasserwirtschaft in Berlin befördert. Den wasserwirtschaftlichen Anforderungen der Zeit entsprechend leitete er nun Forschungsvorhaben auf den Gebieten des Talsperrenbaus und der Speicherwirtschaft, des Wasserhaushaltes und der Wasserbewirtschaftung sowie zur Ermittlung hydrologischer Extreme. Da das Berufsbild des Hydrologen noch nicht existierte, leitete Siegfried Dyck eine Abteilung, die vorwiegend aus Mathematikern, Natur- und Geowissenschaftlern bestand. Hier lagen wohl die Grundlagen eines neuen interdisziplinären Ansatzes für die Hydrologie und Wasserbewirtschaftung begründet, den Siegfried Dyck später erfolgreich umsetzte. Trotz seiner umfangreichen Leitungstätigkeit setzte Siegfried Dyck seine eigenen Forschungsarbeiten im Rahmen einer außerplanmäßigen Aspirantur an der TU Dresden fort. Im Jahr 1966 habilitierte er. Der Titel seiner Habilitationsschrift lautete „Verfahren zur Ermittlung der Speicherwirkung von Überjahresspeichern auf wahrscheinlichkeitstheoretischer Grundlage”. Der Unterschied zwischen dem Thema der Dissertation („Speicherausnutzungslinien”) und der Habilitationsschrift („wahrscheinlichkeitstheoretische Grundlagen”) spiegelt die Entwicklung der wissenschaftlichen Grundlagen der Wasserbewirtschaftung innerhalb von zehn Jahren wider, die Siegfried Dyck wesentlich mitbestimmte. Im gleichen Jahr, das heißt 1966, nahm er eine akademische Lehrtätigkeit an der Humboldt-Universität zu Berlin auf. Am 1. Februar 1967 wurde Siegfried Dyck zum ordentlichen Professor für Hydrologie an die TU Dresden berufen. Im Zuge der dritten Hochschulreform wurden 1968 die Strukturen der Hochschullandschaft der DDR stark verändert. Institute wurden in Wissenschaftsbereiche umgewandelt und fachlich zusammengehörige Wissenschaftsbereiche zu Sektionen zusammengefasst. Mit der Bildung einer Sektion Wasserwesen wurden die Bereiche Wasserbau, Technische Hydromechanik, Wasserwirtschaft, Hydrobiologie und Hydrochemie zu einer thematisch zusammengehörigen wissenschaftlichen Struktureinheit, in der die Hochschulausbildung auf dem Wassersektor der DDR konzentriert war, zusammengefasst. Ein Wissenschaftsbereich Hydrologie und Meteorologie wurde eingerichtet, in den das Institut für Forstliche Meteorologie und Klimakunde in Tharandt mit dem Lehrgebiet Meteorologie eingegliedert wurde. Die Leitung dieses Wissenschaftsbereiches wurde Professor Dyck übertragen. Der neu geschaffene Studiengang für Hydrologie/Wassermengenwirtschaft war in dieser Zeit zumindest für Deutschland einzigartig. Erst 1977, das heißt, nachdem schon einige Jahrgänge Diplom-Hydrologen die TU Dresden verlassen hatten, wurde in Freiburg durch Professor Keller ein Diplomstudiengang Geographie/Fachrichtung Hydrologie eingerichtet, der sich jedoch inhaltlich deutlich vom Dresdner Studiengang unterschied. Am Wissenschaftsbereich Hydrologie und Meteorologie entstanden Ende der siebziger/Anfang der achtziger Jahre unter der Leitung Siegfried Dycks die großen Lehrbücher der „Angewandten Hydrologie”, die noch heute in ihrer universellen Themenvielfalt unerreicht sind. Siegfried Dyck zählte bald auch international zu den führenden Wissenschaftlern auf dem Gebiet der Hydrologie. Im Jahr 1967 wurde die DDR Mitglied der IUGG, der International Union of Geodesy and Geophysics. Die IUGG gliedert sich in acht Associations, darunter auch einer International Association of Hydrological Sciences (IAHS). Die DDR hatte damit die Chance, international hinreichend renommierte Wissenschaftler in diese Gremien zu entsenden. Siegfried Dyck gehörte zu dieser kleinen Gruppe. Er war in der Lage, als Wissenschaftler international zu bestehen. So war er zum Beispiel in der Kommission „Wissenschaft” an fünf aufeinanderfolgenden Generalkonferenzen der UNESCO beteiligt. In der IAHS war Siegfried Dyck ein sehr geschätztes Mitglied, mit einer langen Liste ehrenamtlicher Funktionen. Hervorzuheben ist hier seine Vizepräsidentschaft von 1987 bis 1991. Als Zeichen der hohen Wertschätzung wurde Siegfried Dyck 1992 der International Hydrology Price der IAHS und WMO für sein hydrologisches Lebenswerk verliehen. Die Arbeit von Professor Dyck erfuhr natürlich auch vielfältige nationale Anerkennung. So war er von 1963 bis 1990 Mitglied des Nationalkomitees für Geodäsie und Geophysik, von 1983 bis 1990 Mitglied des Forschungsrates und in diesem von 1986 bis 1990 Vorsitzender der Kommission Wasserwirtschaft. Er war seit 1986 korrespondierendes Mitglied und ab 1990 ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften der DDR. Im Jahr 1991 trat Professor Dyck in den verdienten Ruhestand. Er hielt jedoch weiter Gastvorlesungen, zum Beispiel an der City University London, den Universitäten Karlsruhe, Freiburg, Bochum, Braunschweig, der ETH Zürich und in den UNESCO-Kursen für Hydrologie und Wasserwirtschaft in Budapest, Prag, Belgrad, Moskau und Dresden. Siegfried Dyck hat Wissen geschaffen, wie man das von einem Wissenschaftler erwartet. Dieses Wissen ist nachhaltig, da es Bausteine zum grundlegenden Verständnis der modernen Hydrologie als eigenständiger Wissenschaftszweig lieferte. Siegfried Dyck hat eine Generation von Hydrologinnen und Hydrologen geprägt. Wohl alle, die an der damaligen

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