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Wasserrahmenrichtlinie: effektbasierte Methoden statt Einzelstoffprüfung

Unter Federführung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) hat ein internationales Forscherteam (Forschungsnetzwerk NORMAN) Empfehlungen für die Überwachung, Bewertung und das Management von Schadstoffen entwickelt. Hintergrund ist die geplante Überarbeitung der EG-Wasserrahmenrichtlinie bis 2019. Die Forscher haben dafür im Projekt SOLUTIONS die aktuellen Schwächen unter die Lupe genommen. Eines der Kernprobleme: 45 Schadstoffe sind derzeit in der Wasserrahmenrichtlinie als prioritäre Schadstoffe gelistet, demgegenüber stehen allerdings mehr als 100 000 verschiedene chemische Substanzen, die wir täglich benutzen und die in unsere Umwelt und Gewässer gelangen. Die Forscher kommen daher zu dem Schluss, dass das auf einzelne Schadstoffe orientierte Monitoring zu teuer ist und den größten Teil der Schadstoffe ignoriert. Zudem läuft es den eigentlichen Problemen hinterher, da die meisten Schadstoffe längst vom Markt und durch andere sehr ähnlich wirkende Substanzen ersetzt worden sind. Neue Stoffe auf die Liste zu bekommen, ist aber ein langwieriger politischer Prozess. Außerdem beschränkt sich die Wasserrahmenrichtlinie bislang nur auf die Prüfung von Einzelstoffen. Schadstoffe wirken in der Umwelt aber nicht einzeln, sondern zusammen und können sich in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken. „Nicht das Vorkommen eines Schadstoffes ist ausschlaggebend, sondern seine Wirkung im Gewässer”, heißt es dazu von den Forschern. Die Wissenschaftler plädieren daher für den Einsatz effektbasierter Methoden wie etwa biologische Wirkungstests. So würden alle Stoffe mit derselben Wirkung erfasst, auch Stoffgemische. Und teure chemische Analytik wäre nur noch erforderlich, falls bestimmte Wirkschwellen überschritten werden. Überarbeitungsbedarf sehen die Forscher auch bei der Bewertung der Gewässerqualität. Bislang ist immer die schlechteste Teilkomponente maßgeblich dafür, ob ein Gewässer in einen guten chemischen oder ökologischen Zustand eingestuft wird - selbst wenn diese wie im Falle von Schadstoffen aus Verbrennungsprozessen durch das Gewässermanagement kaum zu beeinflussen ist. Das führt dazu, dass viele Gewässer auch bei signifikanten Verbesserungen wesentlicher Komponenten die Bewirtschaftungsziele nicht erreichen können. Das Forscherteam schlägt hingegen vor, dass Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerqualität künftig durch eine differenziertere Bewertung belohnt werden. Das schließt auch die Schaffung von Anreizen für gutes Monitoring ein. Denn derzeit scheitern viele Mitgliedsländer bereits daran, Schadstoffe regelmäßig zu messen und zu analysieren, deren Überwachung eigentlich vorgeschrieben ist. Und sie werden dafür noch belohnt, denn je weniger sie messen, je seltener sie messen, je schlechter die Analytik ist, desto geringer ist das abgeleitete Risiko und damit der Handlungsbedarf für Reduzierungsmaßnahmen. Die Wissenschaftler schlagen für die neue Wasserrahmenrichtlinie deshalb eine umgekehrte Beweisführung vor: Dort, wo durch unzureichendes Monitoring keine Daten erhoben werden, könnten für die Gewässerbewertung Modellwerte herangezogen werden. So müssten die „Säumigen” dann mit Messungen nachweisen, dass der tatsächliche Gewässerzustand besser ist als der Vorhergesagte. Grundsätzlich plädiert das Forscherteam für ein stärker lösungsorientiertes Gewässermanagement, bei dem Überwachung, Bewertung und mögliche Maßnahmen von Anfang an viel enger miteinander verzahnt sein sollten, als dies heute der Fall ist. Ein Ansatzpunkt hierfür stellen Kläranlagen dar. Bei Kläranlagenabläufen handelt es sich um eine wichtige und vergleichsweise vorhersagbare Quelle von Belastungen, die zur Überschreitung von Wirkschwellen führen können. Die Forscher schlagen daher vor, in einem ersten Schritt zu prüfen, inwieweit eine gefundene Schadwirkung des Flusswassers dem entspricht, was aufgrund des Abwasseranteils und des Reinigungsgrades zu erwarten ist. Dann ist eine verbesserte Abwasserbehandlung in der Kläranlage das Mittel der Wahl, um Qualitätsziele zu erreichen. Die Untersuchungen im EU-Projekt SOLUTIONS zeigen weiter, dass die die Verbesserung der Wasserqualität in manchen Fällen auch eine Harmonisierung der vielen Regelwerke zur Umweltqualität und Chemikaliensicherheit auf europäischer und nationaler Ebene mit der Wasserrahmenrichtlinie erfordert. Das EU-Projekt SOLUTIONS vereinigt 39 Partner aus weltweit 17 Ländern. Es wird bis zum Jahr 2018 mit insgesamt zwölf Millionen Euro von der Europäischen Union gefördert. Ziel ist es, Werkzeuge und Modelle zu entwickeln, um den Chemikaliencocktail in Gewässern hinsichtlich seines Risikos zu bewerten. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse in der Studie „Towards the review of the European Union Water Framework Directive: Recommendations for more efficient assessment and management of chemical contamination in European surface water resources” in der Zeitschrift „Science of the Total Environment” (doi.org/10.1016/j.scitotenv.2016.10.104).

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20170228_001

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